Es war keine gute Idee gewesen, gestern noch bis spät in die Nacht diverse Stadtpläne und Ähnliches zu studieren und sich zu überlegen, wo Nora ihre Suche fortsetzen würde, falls sie in Hogsmeade und Umgebung erfolglos bleiben sollte.
So hatte die junge Frau nun in der Nacht herzlich wenig geschlafen, war dementsprechend gut gelaunt zur Frühschicht ihrer Arbeit gegangen, hatte den ganzen Nachmittag verschlafen – und jetzt beinah die Spätschicht verpennt.
Gehetzt rannte sie durch die schmalen Gassen des Dorfes und begegnete dabei keiner einzigen Menschenseele. Nora war wohl wirklich spät dran.
Doch dann entdeckte sie plötzlich einen Mann vor sich, nicht allzu weit entfernt. Es war schon verwunderlich genug, dass sie zu so später Stunde überhaupt jemandem begegnete, aber dass ihr die Gestalt auch noch bekannt vorkam, war wirklich verrückt. Hatte sie etwa nicht genug geschlafen?
Von Neugierde getrieben, was es mit diesem Mann auf sich hatte, mäßigte Nora ihre Schritte und verfolgte ihn möglichst unauffällig.
Der Fremde war groß und trug einen schweren Mantel, in dessen Taschen die Hände tief vergraben waren.
Noch während Nora überlegte, warum ihr der Herr so bekannt vorkam, hielt dieser inne und betrachtete die Häuserfronten, die sich über die schmale Straße beugten. Für einen kurzen Moment erhaschte die junge Frau einen Blick auf sein Profil. Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen.
Das konnte doch nicht sein! Oder etwa doch? Nora glaubte in jenem Moment ihren Bruder erkannt zu haben. Nein, sie glaubte es nicht nur, sie wusste es! Solch ehrliche Rehaugen besaß kein Mensch außer Josh.
Von dieser Erkenntnis beflügelt wollte Nora ihm hinterherlaufen und sich zu erkennen geben, doch er war verschwunden.
„Das habe ich ja mal wieder ganz toll hingekriegt“, murmelte sie leise und blickte sich um, doch die Gassen waren ausgestorben wie eh und je. Nun, immerhin wusste sie jetzt, dass er sich tatsächlich hier in der Nähe aufhielt.
Als Nora in die Gasse einbog, in der sich das Café befand, für das sie arbeitete, huschte ein überraschtes, doch alsbald breites Lächeln über ihr Gesicht. Josh betrat gerade das Capp & Cino – diese Gelegenheit würde sie sich ganz gewiss nicht entgehen lassen.
Die junge Frau beeilte sich, ihrem Bruder in das kleine Gasthaus zu folgen.
Wechsel nach: Capp & Cino